Antike • Brauchtum
Es ist leicht einsichtig, dass die
Traditionen von Blumengeschenken oder Blumenkränzen sich natürlich im
Volksbrauch halten konnten, dass man ihrer Pflege aber nur noch bedingt
Aufmerksamkeit widmete, da sie – wie viele andere Traditionen auch – nun
sinnentleert in einem neuen kulturellen Zusammenhang standen.
Es sollte
eine lange Zeit dauern, bis die erste Rückbesinnung auf die Werte der
Antike und die vorchristliche Tradition wieder zu erstem Aufwind für die
Blumen sorgte. In der Renaissance begann eine große Wertschätzung für die
Denker der Antike ganz Europa zu erfassen, die sich zwar dem christlichen
Dogma beugen musste, die aber immerhin so viel Zugkraft entwickelte, dass
ein Kirchenkonzil zu dem Schluss kam, dass in Ausnahmefällen sogar Heiden
vom Heiligen Geist erleuchtet werden konnten. Nur durch diesen Schluss war
es möglich, die Werke eines Aristoteles in irgendeiner Form in das
christliche Dogma einzubinden.
Nachdem
der Versuch, diesen neuen und unerwünschten Einfluss ganz zu unterbinden
missglückt war setzte die Kirche also auf Integration statt Abwendung, und
man machte sich die Lehren des Aristoteles und der anderen damals
bekannten und populären griechischen Denker schlicht und einfach zu eigen,
da man sie als Ausdruck der Erleuchtung durch den Heiligen Geist
deklarierte.
Diese
zwar eigentlich nicht neuen, zu diesem Zeitpunkt aber revolutionären
Lehren waren es auch, die zu einer gänzlich veränderten Geisteshaltung in
Europa führten, die schließlich den Weg in die Neuzeit ebnen sollte.
Im Zuge
dieser Veränderung besann man sich auch auf die in der Antike durchaus
bekannte Tradition des Blumengeschenks und Blumenschmucks. Man kann zwar
nicht sagen, dass diese Tradition zu diesem Zeitpunkt ebenfalls eine
„Renaissance“ erlebte, aber immerhin verbreitete sich dieser Gedanke
zunehmend, und man stand der eher in der Antike verwurzelte Symbolik der
Blume nicht mehr ganz so verschlossen gegenüber.
Es sollte
aber noch einige Jahrhunderte dauern, bis sich die uns heute bekannte
Tradition des Blumenschenkens entwickelte. Erst die Epoche des Barock mit
ihrer besonderen Betonung der Vergänglichkeit war es, die eine echte
„Renaissance“ der Blumen mit sich brachte.
In der
Zeit des Barocks herrschte eine Zeit des Schreckens in Deutschland, aber
auch in weiten Teilen des restlichen Europas, die für viele Menschen vor
allem einen starken Eindruck ihrer eigenen Sterblichkeit (und der
Sterblichkeit ihrer Lieben) hervorrief. Man sah den Menschen in dieser
Zeit als ein Wesen, das zwar in eine materielle Welt geboren wurde, dessen
Existenz in dieser Welt aber ob ihrer Vergänglichkeit nur relativ wenig
Bedeutung hatte. Es war vielmehr die jenseitige Welt, an die man erinnern
wollte und auf die man hinarbeiten sollte, wenn man ein gottgefälliges
Leben führen wollte.
Im Laufe
der nächsten Jahrhunderte, als es sich vornehmlich in der gehobenen
Gesellschaft etabliert hatte, Blumen zu schenken, fand dieser Brauch
Nachahmer auch in den niedrigeren Schichten, die sich durch die Übernahme
verschiedener Bräuche des Adels eine gewisse Noblesse verleihen wollten.
Diese
Entwicklung durchzog die nächsten Jahrhundert noch bis zum Anfang des 20.
Jahrhunderts, und zwar in vielen verschiedenen Lebensbereichen. Der Sessel
zum Beispiel wurde in seinen nobleren Ausführungen bald zum Thron des
bürgerlichen Geldadels, während auch das Verschenken von Blumen die meiste
Zeit eine durchgehende Bedeutung genoss.
Mehr oder
weniger unverändert hat sich dieser Brauch bis heute gehalten; allerdings
kann man heute nicht mehr unbedingt davon sprechen, dass das Verschenken
von Blumen eine traditionelle Anlehnung an adlige Bräuche ist. Vielmehr
haben Blumen als schöne Geschenkidee nunmehr alle Teile der Gesellschaft
erobert – ganz gleich, ob es sich um einen persönlich georderten und nach
eigenen Vorstellungen dekorierten Strauß für einen besonderen Anlass oder
ein einfaches, aus dem Sortiment eines Floristen oder Händlers
ausgewähltes Mitbringsel handelt – Blumen sind überall ein gern gesehenes
Geschenk, dass seine Bedeutung wohl auch noch lange in der Zukunft
behalten wird.